Heinz-Werner Luy
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Untertitel
Anthropologie

Die Konzeption pädagogischer Anthropologie von Max Liedtke

 

 

1. Professor Dr. Max Liedtke, Biographie:

 

·         geb. am 08.03.1931 in Düsseldorf

·         studierte Theologie, Philosophie, Pädagogik und Musikwissenschaften in Bonn, München und Hamburg

·         Abschluß Studium bei Prof. C.F. von Weizsäcker

·         Habilitation in Erziehungswissenschaften Hamburg

·         Dozent an der PH Göttingen

·         Professor an der Universität Hamburg

·         Professor an der Uni Erlangen-Nürnberg

 

Mitgliedschaften:

·         Konrad-Lorenz-Institut für Evolutionsforschung in Altenberg

·         Vorsitzender der historischen Kommission der deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (1991-1993)

·         Gründung der Fördervereine Schulmuseum Nürnberg und bayerisches Schulmuseum Ichenhausen

 

·         Wissenschaftlicher Förderpreis der BLLV (1987), Bundesverdienstkreuz am Bande (1991), Medaille pro Meritis des bayerischen MfUKWK

·         Forschungsbereiche: Integration evolutionsbiologischer Daten in die Pädagogik (1991) am Institut für anthropologisch-historische Bildungsforschung; historische Pädagogik

·         Wichtigste Veröffentlichungen: Evolution und Erziehung, Göttingen, 1997; J. H. Pestalozzi, Reinbek, 1998; Handbuch der Geschichte des bayerischen Bildungswesens, Bad Heilbrunn, 1997

 

2. Begriffsbestimmung der Anthropologie bei Max Liedtke

 

·         naturwissenschaftliche Aspekte sind vordergründig zum Verständnis der Anthropologie

·         bei omniszenter Betrachtung des Menschen kann nicht allein der naturwissenschaftliche Aspekt genügen, sonder muß um den geisteswissenschaftlichen Aspekt ergänzt werden

·         Die Theorien der Anthropologie sind notwendige Reaktionen auf den erzieherischen Handlungsdruck:

Der Mensch in seiner Komplexität ist nicht gesamt zu erfassen, deshalb bedarf es einer anthropologischen Theorie, die als Absicherung zum verantwortungsvollen Handeln des Erziehers dient

·         Anthropologie als Methode der pädagogischen Erkenntnisgewinnung

 

3. Beiträge zu einem Ethogramm des Menschen

 

Die stammesgeschichtliche Entwicklung des Menschen ist der Schlüssel zum Verständnis

·         Der Einbezug der stammesgeschichtlichen Entwicklung ist wichtig, um den Verlust an Problemen und Perspektiven zu entgehen.

·         Bedeutung einer biologisch-stammesgeschichtlich orientierten Anthropologie

-          Erlangen von Angaben über das Verhaltensrepertoire des Menschen/ursprüngliche Funktionen und Stellenwert einzelner Verhaltensabschnitte

-          genetisch festgelegte Verhaltensweisen zur Entwicklung menschlicher Fähigkeiten

-          auch für empirisch forschende Wissenschaften sind normative Fragestellungen möglich

-          Handlungsanweisungen für konkrete pädagogische Entscheidungen  möglich

 

Die Entwicklung des Verhaltensrepertoires des Menschen

·         Entwicklungsweg der Organismen verlief von einfachen zu komplexeren Formen

·         stammesgeschichtliche Nachforschung macht das Verhaltensrepertoire durchschaubar

·         es gibt genetische Dispositionen, durch die die Struktur menschlichen Verhaltens umrissen ist, z.B. die Erziehbarkeit des Menschen

·         es gibt identische Signale und Abläufe, die in unterschiedlichen Kulturen und unterschiedlichen  Situationen gleich sind

·         Entwicklung des Menschen ist gekennzeichnet einerseits durch Verbesserung der Lernfähigkeit und andererseits durch Verbesserung der genetisch fixierten Antriebe, Verhaltensabläufe und Wertungsmechanismen

·         Beispiel: Lernfähigkeit und Emotionalität

 

4. Ökologische Korrelate des menschlichen Verhaltensrepertoires

 

·         Möglichkeiten und Grenzen:

Genetisch festgelegte Verhaltensweisen sind stammesgeschichtlich in Wechselwirkung mit der Umwelt entstanden; Umweltfaktoren haben nicht beliebig Einfluß auf das genetische Material; eine optimale Entfaltung der genetisch festgelegten Fähigkeiten, wenn die Grenzen der Erziehbarkeit und Einwirkungsmöglichkeiten nicht überschritten werden; Aufgabe der Pädagogik ist es, genetisch festgelegte Fähigkeiten eines Kindes ausfindig zu machen und diese optimal nach Maßstäben des Kindes zu fördern;

·         Beispiel für Einbeziehung der stammesgeschichtlichen Entwicklung zum besseren Verständnis über den Menschen: konstante Bezugsperson in frühkindlicher Sozialisation

 

5. Probleme der Normativität

 

·         Erziehung als zielorientierter ProzeßàFrage nach den Erziehungszielen als Voraussetzung  für die Erziehung

·         Alleinig empirisch orientierte Anthropologie ungeeignet normative Fragestellungen der Erziehungsziele zu beantworten: empirische Wissenschaft trifft nur deskriptive (darstellende) Aussagen, Erziehungsziele

 als zukünftige Sollzustände müssen präskriptiv (festlegend) formuliert werden

·         Jedoch Notwendigkeit der empirischen Wissenschaft zur Erfassung der geschichtlichen Erziehungsdimension àStammesgeschichtliche Entwicklung der Normvorstellungen

·         Stammesgeschichtlich entsprechen Normvorstellungen dem Bewußtwerden und der Formulierung genetisch bedingter Antriebe (erlernter): Antriebe zur Erreichung zukünftiger Sollzustände, Antriebe als präskriptive Sätze

 

 Begründung von Normen am Beispiel der Erziehungspflicht:

 

·         Norm der Erziehungspflicht in Verfassung aufgenommen (GG Art. 6 (2), Weimarer Verfassung 1919 Art. 120, DDR 1949 Art. 31, Menschenrechtskonvention 1948 Art. 26: Recht auf Erziehung und Bildung

·         Erziehungspflicht als positives Gebot kodifiziert: erst späte Entwicklung im Kulturkreis (nicht in AT/NT, Paulskirchenverfassung 1849, Verfassung dt. Reich 1871) àNorm der Erziehungspflicht als Selbstverständlichkeit, die real praktiziert wird und keiner schriftlichen Fixierung bedarf ?!

·         Erziehungspflicht als biologischer Aspekt das Überleben der Gesellschaft zu sichern, der nachwachsenden Generation zu helfen (siehe auch Tierwelt: Überlebensstrategien: Verhaltensweisen, Gruppenbildung etc.) àAusbildung des Antriebes zur Erziehung: Hilfsbedürftigkeit induziert komplementäre Hilfsbereitschaft

der älteren Generation

àaus Erziehungsbereitschaft entwickelt sich Norm der Erziehungspflicht mit schriftlicher Fixierung

·         Erziehungspflicht als Norm mit formalen Merkmalen:

a)      Norm stellt Wert dar (Erziehung erstrebenswerter Zustand, Norm zu befolgen erzeugt positives Gefühl)    

b)    Allgemeine Gültigkeit (für jedes Mitglied der Gruppe in jeder Situation, gleichgeartete Verhaltenstendenz um geschlechtliche Fortpflanzungsfähigkeit zu gewährleisten)

c)       Kategorischer Charakter (unbedingte Befolgung ohne materiellem Vorteil, Bedürfnis der Eltern, sich zu kümmern, notfalls bis zur Selbstaufgabe)

·         Argumentationsgang der Norm Erziehungspflicht aus stammesgeschichtlichen und lerntheoretischen Gründen (Entwicklung Wertebewußtsein als Voraussetzung zum weiteren Erlernen von Werten) auf andere normative Fragen übertragbar

 

 

6. Ansätze einer anthropologischen Erziehungslehre

 

Der pädagogische Handlungsdruck und das Problem des Forschungsdefizits

 

·         Qualität erziehungswissenschaftlicher Aussagen hängt von Zahl und Qualität empirischer Einzeluntersuchungen ab: Defizit wegen Komplexität des Menschen

·         Rechtfertigung päd. Maßnahmen durch Berücksichtigung geschichtlich vorhandenem Wissen

·         Ausgleich des empirischen Defizits durch anthropologische Theorien, die durch dezidierte stammesgeschichtliche Einzeluntersuchung abgesichert ist, oder

·         Berücksichtigung des Anpassungswertes eines Verhaltens oder einer Maßnahme als Zugang zu konkreten

·         pädagogischen Entscheidungen

·         Anpassungswert als biologischer Faktor im Sinne sich an die Umweltbedingungen anzupassen, auf biologische gesellschaftliche o. ä. Phänomene àFrage nach dem längerfristigen Anpassungswert àunterschiedliche Erziehungspraktiken, Gehorsamsforderung, Leistungsanforderung, Selbsttätigkeit, Zumutbarkeit von Frustration usw.

 

Anthropologische Erziehungslehre am Beispiel Gehorsam

 

·         Hauptanpassungsmittel des kulturell entwickelten Menschen nicht nur an Hand von Eigenerfahrung zu lernen, sondern die Fähigkeit, Fremderfahrungen, vorhergehender Generationen kumuliertes Wissen zu übernehmen à Ältere Generation: Bereitschaft zur Tradierung, jüngere Generation: Bereitschaft zur Übernahme

·         Ungehorsam besitzt keinen Anpassungswert = inhumane Verhaltensweise

·         Kein Gehorsam mit blinder Unterwerfung: Überprüfung tradierter Erfahrungen mit gegebener Realität

·         Bereitschaft zur Übernahme von Fremderfahrung mit Elementen der kritischen Überprüfung und Widerstand

·         Jedoch: Kritikfähigkeit erst nach Anhäufung von InformationsquantenàPriorität in Kindheits- und Jugendphase muß sein: Informationsübernahme (in Wissen und Verhalten)

 

Literatur:

 

-          Liedtke, Max: Evolution und Erziehung. Ein Beitrag zur integrativen pädagogischen Anthropologie, Göttingen 1972 (Kap. II u. IV)

-          Liedtke, Max: Pädagogische Anthropologie als anthropologische Fundierung der Erziehung, in: Eckard König/Horst Ramsenthaler: Diskussion Pädagogischer Anthropologie, München 1980, S. 175-190

-          Liedtke, Max: Anthropologische Grundlagen von Erziehung, in: Helmut Hierdeis: Taschenbuch der Pädagogik, Teil 1, Baltmannsweiler 1978, S. 12-27

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